Lernen ist ein Kinder-Spiel
Veröffentlicht im Februar 2020
Eltern wird es nicht immer leicht gemacht, die Entwicklung ihrer Kinder gelassen zu begleiten. In zahlreichen Ratgebern, Internetforen und im sozialen Umfeld werden unablässig wertvolle Tipps zur besten Förderung gegeben.
Da ist es vielleicht beruhigend zu hören, dass es für Kinder eigentlich keine bessere Förderung gibt, als ihnen genügend Zeit und Raum zum Spielen zu lassen.
Im Spiel suchen sich die Kinder genau die Anregungen, die sie gerade brauchen. Sie erkunden welche Funktion und welchen Sinn Gegenstände haben, wie sie beschaffen sind und trainieren dabei auch stetig ihre motorischen Fähigkeiten. Um diese Erfahrungen verbalisieren zu können, erwerben die Kinder gezielt sprachliche Kompetenzen und einen Wortschatz, der in der jeweiligen Entwicklungsphase relevant ist.
In Bezug auf die Sprachförderung werden wir in der Praxis häufig nach Lernspielen gefragt, um die Förderung der Kinder zu Hause weiterführen zu können. Grundsätzlich gilt, dass Erwachsene sich möglichst wenig in das kindliche Spiel einmischen sollten. Vorgegebenes Material nimmt häufig wenig Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder sowie deren Spontaneität und Kreativität. Freies Spielmaterial, welches zu Rollenspielen einlädt, ist demnach wertvoller als Regelspiele, die einen sehr engen Rahmen abstecken.
Im selbstbestimmten, freien Spiel finden viele sprachliche und nichtsprachliche Entwicklungsprozesse statt. Zunächst muss der entsprechende Wortschatz erlernt und unter Anwendung grammatischer Regeln in eine Satzform gebracht werden. Den Kindern müssen dafür die Bedeutungen der einzelnen Wörter bekannt sein und wie sie Sätze verknüpfen müssen, um einen Sinnzusammenhang darlegen zu können. Zudem wird erlernt nach welchen Regeln ein Dialog abläuft. In diesem interaktiven Spiel entwickeln die Kinder ein zunehmendes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Außerdem regt es die Denkfähigkeit sowie Kreativität an. Kinder untereinander lernen im Spiel sich in andere hineinzuversetzen und auch mit Enttäuschungen und Misserfolg umzugehen.
Wenn Kinder also nach der Sprachtherapie erzählen: „Wir haben heute gespielt“, kann dies als gelungene Therapieeinheit interpretiert werden. Im kindlichen Spiel werden die besten Lernerfolge erzielt, insbesondere dann, wenn es der individuellen Entwicklung angepasst ist und den Anforderungen des Kindes entspricht. Die Herausforderung für uns Therapeut*innen besteht darin, das Spiel so mitzugestalten, dass gezielt sprachliche Anforderungen gestellt werden, ohne das Spiel zu beeinträchtigen.
Die Frage nach einem geeigneten Weihnachtsgeschenk steht demnach in keinem Ratgeber, sondern richtet sich klar nach den Interessen Ihres Kindes. Für ein gelungenes, kreatives Spiel braucht es häufig nicht viel. Mit Decken, Kissen und ein paar Tierfiguren können bereits tolle Phantasiewelten erbaut werden. Manchmal reicht sogar ein Sack voller Spülschwämme.
Josephine Junker
(Klinische Linguistin in der Logopädischen Praxis Maria Beyer)